Freitag, 12. August 2016

Stress vor einem Race? Nie gehört!

Vor einem Rennen sind wir doch alle irgendwie immer wieder Anfänger. Alle haben trainiert, aber keiner weiß so genau, wie es wirklich werden wird. Alles ist irgendwie aufregend und unglaublich hektisch und obwohl wir doch schon viele Wettkämpfe gemacht haben, kann man nicht wirklich von Routine sprechen. Wisst ihr, was ich meine? Ich bin ja so eine Spezialistin auf dem Gebiet "Auf den letzten Drücker" und wer frühere Berichte von mir gelesen hat, weiß, was ich meine. Am Tag vor einem Rennen studiere ich hektisch die Pflichtausrüstung und suche danach wie ein aufgeschrecktes Huhn alles zusammen. Wobei sich die Dinge dann auch immer wieder an anderer Stelle befinden und ich mein Hirn kräftig anstrengen muss, alles zu finden. Bei meinem letzten Race in den Dolomiten im Juni wusste ich zudem auch gar nicht mehr, wann und warum ich mich angemeldet hatte. Und war dann doch etwas überrascht, dass die Zeit nach Marokko so schnell (2 Wochen) verging. In den Tagen vorher machten die Fragen "Warum mache ich da mit?" "Warum tue ich mir den Stress an?" und "Wie wird es wohl werden?" die Runde in der Endlosschleife. Fragen, die nur das Orakel beantworten kann und selbst wenn ich das Orakel wäre oder es zumindest kennen würde, würde es mir auch nicht beim Abbau meines Stresslevels helfen. Mh. Also trotz Routine alles wieder auf Anfang. Trotz diverser Mentaler Tricks immer wieder dieses Stresslevel. Während des Dolomiti Extreme Trail Races (53km und 3800hm) hatte ich viel Zeit, darüber nachzudenken. Es gehört dazu- der Stress muss sein, sonst wäre es ja kein Wettkampf. Sonst wäre es ja Training und alle könnten sich an den Händen fassen, lustig ein Liedchen trällern und sich im Ziel in den Armen liegen. In den Armen liegen wir uns im Ziel zwar auch, und zwischendurch singen wir auch ein Lied; aber gestresst sind doch alle irgendwie. Wenn man vor dem Start dann auch noch Bekannte trifft und sich Fragen über Ausrüstung, Wetter, Taktik usw. stellt, dann kann die Nervosität nochmals auf Hochtouren geraten. Nur weil einer vielleicht doch die dickere Regenjacke eingepackt hat, heisst das ja noch lange nicht, dass es auch wirklich viel regnen wird! Aber kaum kreist dieser Satz im Raum, überlegt man doch, ob es noch Sinn macht, zum Gepäcktransport zurückzulaufen, um die dickere Regenjacke einzupacken. Was für ein Stress. Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Aber ein Ultra-Race ist auch kein Spaziergang und wenn man in den hohen Bergen abseits der Zivilisation unterwegs ist, dann sind solche kleinen Details manchmal schon sehr wichtig. Wenn ich bei einem Stadtmarathon aus welchen Gründen auch immer plötzlich keine Lust mehr habe weiterzulaufen, dann kann ich an der nächsten Bushaltestelle aussteigen. Aber mitten im Wald oder hoch oben auf einem Gipfel ist das etwas ganz anderes. Da dauert es schon etwas länger und man überlegt sich zweimal, was man tut.
Aber irgendwie finde ich diese "Nicht-Routine" auch wieder spannend. Wenn alles immer gleich ablaufen würde, dann wäre es für mich persönlich doch zu langweilig. Das kann sicherlich nicht jeder vertragen, aber ich finde das jedes Mal eine tolle Herausforderung, auch wenn ich mich selber mit meiner Hektik und meinem Stress nerve und andere in den Wahnsinn treibe!
Auf den ersten Kilometern eines langen Rennens kommt bei mir dann der Stress nochmals zum Höhepunkt. Oftmals sehe ich nur einen riesigen Berg an Kilometern und Höhenmetern und Minuten und Stunden vor mir und frage mich panisch, ob ich das wirklich durchhalten möchte. Die ersten 20-30 Minuten eines jeden Rennens verlaufen so oder ähnlich. Die Maschine muss halt erst starten; der Motor muss sich warmlaufen; alles im Hirn muss ich bereit machen für ein langes Abenteuer; alles steht auf Start. Und in der Regel geht der Motor dann auch nicht mehr aus und läuft und läuft und läuft. Ist dieser Punkt überwunden, bin ich im Rennen und freue mich, dass ich das machen kann, was ich so gerne mache! Sicherlich kommen dann diverse andere Krisen; auch Verspannungen in den Beinen und Rücken oder die Füsse knicken um. Aber mit jedem Schritt nähere ich mich dem Ziel und das gibt mir enormen Aufwind und Rückenwind und positive Energien. Oftmals stelle ich mir dann auch die Strecke vor, die ich schon gerannt bin und freue mich, wie weit ich schon gekommen bin. Es passiert alles nur im Kopf und deswegen ist es so entscheidend, dass die Schaltzentrale ausgeruht ist und alle Reserven mobilisieren kann. Denn nur eine entspannte Sportlerin ist eine gute Sportlerin!
Und somit sammele ich von Rennen zu Rennen meine Erfahrungen und nehme mir für den nächsten Wettkampf immer wieder neue Tipps zu Herzen. Aber letztlich falle ich immer wieder in meine Stressreaktion. Denn diese ist Teil von mir und vielleicht auch das Benzin, welches ich zum erfolgreichen Finishen brauche (oder eher Diesel).
Mein Musiktipp:
https://www.youtube.com/watch?v=FGFbZckK7Eo 


Running on the moon!  
Recovery at the ALTO BAR on Corviglia, 2300m 
Mountainbiking on the FLOW TRAIL brings good vibrations!  
My paradise-home!