Montag, 23. Juni 2014

Sieg beim Zugspitz Ultra Trail: Das Feld von hinten aufgerollt!

Nach 100 Kilometern und 5400 Höhenmetern im Aufstieg durch die wunderschönen bayrischen und österreichischen Alpen sprinte ich als erste Frau mit einer Zeit von 13 Stunden und 53 Minuten über die Ziellinie. Jeglicher Schmerz ist vergessen und ich lege beim Zieleinlauf noch einen 1A-Handball-Sprungwurf hin! Die Euphorie steht mir ins Gesicht geschrieben und wird von meinen Laufkollegen vom UVU Racing - Team mit einer Bierdusche gebührend geehrt! Ich freue mich unglaublich und bin mehr als sprachlos. Denn der Sieg war bis 8 Kilometer vor dem Ziel überhaupt nicht klar. Aber der Reihe nach:

Die Nacht vor dem Wettkampf war schlaflos, unruhig und von Sorgen geprägt. Hatte ich genug trainiert, oder sogar zu viel? Meine Beine fühlten sich irgendwie so leer an und in meinem Kopf herrschte das absolute Chaos. 100 Kilometer, diese vielen Höhenmeter und einfach diese lange Zeit, die ich unterwegs sein würde. Ich beruhigte mich immer wieder mit dem Satz: "Es kommt wie es kommt und das Spiel ist erst fertig, wenn ich im Ziel bin." Nach ein paar Stunden Schlaf ging es dann auch schon los. Gemeinsam mit meinen Laufkollegen aus dem UVU Racing Team fuhren wir zum Startgelände. Da wir alle etwas spät dran waren, nutzen wir die Gelegenheit und kletterten über den Absperrzaun, so dass wir in der ersten Reihe standen. Die Zeit bis zum Startschuß verging im Flug. Die ersten 400 Meter trotteten wir alle hinter einer bayrischen Blaskapelle hinterher und dann ging es urplötzlich los. Der Start war rasant und das Tempo relativ schnell.

Zwei Frauen waren vor mir, was mich überhaupt nicht beunruhigte. Einen 100 Kilometer-Wettkampf gewinnt man nicht unbedingt auf den ersten Metern. Der Anfang war relativ flach, so dass ich einen guten Rhythmus fand. Bei den ersten steileren Anstiegen wechselte ich in den Speed-Hiking-Modus und schraubte mich Meter für Meter den Anstieg hoch. Zusammen mit meinem marokkanischen UVU - Teamkollegen Mohamed Ahansal (extrem guter Wüstenläufer und vielfacher Gewinner des Marathon des Sables. Zudem Veranstalter des Transatlas Marathon !) spulte ich die ersten 10-15 Kilometer zusammen ab. Mohamed hatte leider keinen guten Tag erwischt und lief seinem Rhythmus hinterher. Dafür motivierte er mich allerdings umso mehr und gab mir ein gutes Tempo voraus! Ich hörte immer wieder ein "Jallah Jallah" , was soviel heißt wie: schnell schnell! Für mich ging es dann in einem guten Tempo weiter. Mohamed entschied sich nach 40 Km auszusteigen.
Dem zweiten Anstieg gab ich den Beinamen "Dreigestirn", da es auf einer Höhe von 2000-2200 dreimal rauf und runter ging. Bergauf war es mühsam, bergab war ich in meinem Element. Meine Beine waren sehr stark und die Füße suchten sich mit einer gekonnten Geschmeidigkeit den Weg zwischen vielen kleinen und großen Steinen. Zum Glück hatte ich Stöcke dabei, so dass ich mich bei dem hohen Tempo gut abstützen konnte. Nach ca. 40 Kilometern konnte ich dann eine der beiden Frauen, die vor mir waren, überholen. Das gab mir große Motivation und neue Kraft. An der Verpflegungsstelle 5 hatte ich dann auch die erste Frau eingeholt, was mich dann doch sehr überraschte. Die Italienerin zählte zu den Favoritinnen und war auch extrem stark unterwegs. An den Verpflegungsstellen läuft es normalerweise immer recht hektisch ab. Alle wollen zeitgleich trinken und essen und herrscht ein reges Durcheinander. Helfende Hände aus dem eigenen Team sind da natürlich immer herzlich willkommen. Basti reichte mir Gels und Salzstangen und riss in der Eile meinen Trinkbecher in zwei Teile, wofür ich ihn herb anschnauzte, da ich wertvolle Zeit verlor. Im Nachhinein kann man über solche Szenen nur lachen, aber im Wettkampf ist alles immer irgendwie anders! Mit aufgefüllten Wasserflaschen ging es dann auf das gefürchtete 30 Kilometer lange relativ flache Stück. Zuerst über eine asphaltierte Straße und dann wieder rein in den Wald über eine Forststraße, die niemals enden wollte. Ich lief alleine und überholte nur hin und wieder Läufer aus einer anderen Kategorie. Diese Fortstraße verlangte alles von mir, da bei Kilometer 60 die Beine schon nicht mehr ganz so frisch sind und Schmerzen durch die Nerven jagen. Ich hab mir immer nur diesen Satz vorgesagt: "Schmerz ist eine Schwäche, die den Körper verlässt!" Oder so ähnlich. Auf alle Fälle hat es dazu geführt, dass ich innerlich nicht blockierte und alles im Fluss war. Auf dieser längsten Forststraße der Welt schmerzten meine Oberschenkel deutlich und jeder Rhythmuswechsel vom Gehen ins Laufen grenzte an einen Weltuntergang. Irgendwie habe ich mich durchgebissen und auch diese Krise überstanden. An der nächsten Verpflegungsstelle traf ich dann einen der Läufer, die ich immer mal wieder vor mir gesehen habe. Fortan rannten wir zusammen und als das Schild "20km to go" auftauchte, freute ich mich sehr. Nur noch 20 km, dann würde ich es geschafft haben. Im Kopf war ich entspannt und machte mir über eine mögliche Platzierung kaum Gedanken. Ich lief in meinem Tempo und sagte mir immer wieder, dass das das Maximum ist, was ich in diesem Moment laufen kann.
Zusammen mit meinem "Laufhasen" Carsten ging es dann in einem sehr flotten Tempo auf den letzten Anstieg: 1200 Höhenmeter rauf! Mit einem Energiekick in Form von Koffein (Winforce Booster!) schraubte ich mich durch einen dichten Nadelwald (oder war es Laub?) über Stock, Stein und Wurzeln immer weiter rauf. Die Italienerin konnte ich immer wieder sehen und dachte mir, dass es doch noch möglich sei, sie zu überholen. Aber ich lief weiterhin in meinem Tempo. Nach der Baumgrenze auf knapp 1600 hm kam ich endlich zur nächsten Verpflegungsstelle und füllte die Flaschen nochmals für die letzten 400m im Anstieg auf. Der Weg führte über Skipisten und großen Serpentinen stetig bergauf und erinnerte mich an meine vielen Trainingsläufe rauf auf Muottas Muragl. Ich war weiterhin kraftvoll in den Beinen und im Kopf unterwegs und es rollte. Das einzige, was mich beunruhigte war die Tatsache, dass ich die Italienerin nicht mehr sehen konnte. Es konnte doch nicht sein, dass sie so viel schneller war als ich und nach 92 Km noch so viel mehr Power hatte, dass ich sie überhaupt nicht mehr sehen konnte? Irgendetwas war da faul. Ich überlegte, ob sie vielleicht verletzt aufgeben musste oder ob ihr etwas anderes passiert sei, oder was auch immer. Diese Gedanken hielten mich allerdings nicht davon, das Tempo konstant am Limit zu halten. Und dann ging es auch schon bergab. Schnell noch einen zweiten Koffeinkick und dann mit höchster Konzentration 1200 Höhenmeter runter! Meine Beine waren noch erstaunlich frisch und die Schmerzen, die ich vorher spürte, waren weg. Das Adrenalin und die Vorfreude, dass es bald vorbei sein würde, peitschten mich die Singletrails runter und ich flog auf den letzten Kilometern frei vor mich hin. Der Wald wurde immer dichter und der Untergrund immer rutschiger, als ob jemand Schmierseife ausgeschüttet hätte. Ich rannte allerdings mit einer Sicherheit über jegliches Terrain, als wären mir unterwegs zusätzliche Beine gewachsen! Als ich das Schild "KM 3 to go" passierte, tauchte plötzlich Björn aus meinem UVU Racing Team auf. Mit einem Grinsen auf dem Gesicht fragte er mich, ob ich wüßte, dass ich die Siegerin sein! Völlig verdattert meinte ich zu ihm, dass das nicht sein kann, da ich die Italienerin nie überholt hatte! In knappen Sätzen sagte er mir dann, dass sie disqualifiziert worden sei, da sie einen Streckenabschnitt nicht gelaufen ist. Und ich bräuchte mich auch nicht zu beeilen, da die zweite Frau über 1.5 Stunden hinter mir sei. Egal, ich nahm die Gämslibeine in die Hände und rannte in einem Affentempo in Richtung Ziel. Als ich die Lautsprecherdurchsagen hörte, konnte ich nicht mehr aufhören zu grinsen. Mein Körper war voll mit Adrenalin und alle Schmerzen waren vergessen. Mit einem Sprungwurf warf ich mich ins Ziel und wurde sogleich von allen UVU Teammates mit einer Bierdusche begrüßt! Was für ein Gefühl. Nach 13 Stunden und 53 Minuten hatte ich es tatsächlich geschafft. Schade für die Italienerin, das ist wirklich bitter. Aber wer weiß: ich hätte sie vielleicht auch noch überholt. Auf 100 Kilometern kann wirklich alles passieren! Mein größter Dank geht an UVU (You versus You) Racing- besonders an Basti für all die guten Zusprüche und den Support! UVU konnte sich an diesem ersten Teamevent super präsentieren. Dan Doherty konnte auf den 3. Rang bei den Männern laufen und auch Tim Wortmann ist als 7. mit einer sehr guten Zeit ins Ziel gelaufen!
Jetzt heißt es erstmal Regeneratio: Im Heilbad St. Moritz gab es ein Kohlensäurebad und anschließend eine tolle Massage von Britta. Danach einen Liter Heilbadwasser und ein paar Gummibärchen, damit die Gelenke wieder geschmeidig werden! 
Rock n Roll!
Bierdusche von Basti

Björn, AMF und Basti

Noch frisch und fit bei KM 15

Immer vorne mit dabei...




UVU Racing Teammates


Lets rock it!



Dan Doherty 3rd place men overall

Dan und Reiner

JP from the Netherlands!

Michael Wardian

Mohamed Ahansal

Rainer
Famous UVU Team
Terry

Fotos @ UVU RACING (Moritz Garhammer) und Sportfotograf. Bilder dürfen nur mit den entsprechenden Credits verwendet werden.



Samstag, 14. Juni 2014

Draußen in der Natur...

Wissenschaftler beschäftigen sich ja mit vielen Themen. Kürzlich bin ich auf einen Artikel rund um die Natur gestoßen. Natur tut uns gut! Natur macht uns entspannt! Natur senkt Blutdruck und Kortisolgehalt (Stressmarker) im Blut. Und die Herzfrequenzvariabilität wird flexibler, womit besser mit Belastung und Stress umgegangen werden kann. Natur hebt die Stimmung und verbessert die Konzentration, Frustrationsschwelle, macht toleranter und sozialer. Es soll sogar völlig ausreichen, wenn man aus dem Haus heraus auf einen grünen Garten schaut. Bilder aus der Natur helfen angeblich auch, um das Stresslevel eines Zahnarztbesuchs zu senken: Der Blick auf ein Aquarium lenkt von jeglichen Bohrgeräuschen und unangenehmen Spritzen ab. Bei sanfter Bewegung in der Natur werden mehr stimmungsaufhellende Botenstoffe produziert und mehr körpereigene Schmerzhemmer ausgeschüttet.
Die Wirkung der Natur tönt ja so vielversprechend positiv und stark, dass ich, die sich ja täglich mindestens 5-7 Stunden in der Natur aufhält, geradezu Superkräfte entwickelt haben müsste. Vielleicht verändert sich ja mein Genpol mit voranschreitendem Aufenthalt in der Natur zu Wonderwoman! Ich müsste demnach so tiefenentspannt und glücklich sein, frei von jeglichen Schmerzen und gefüllt mit purem Wohlbefinden, wie ein hundertjahrealter indischer Yogi. Hin und wieder bin ich auch so dermaßen tiefenentspannt, dass ich es gar nicht wahrnehme, wie ich (wieder einmal) im Wald über Stock und Stein an einer dieser fiesen kleinen Geröllformation hängen bleiben und in voller Längsseite nach vorne auf Hand und Ellbogen stürze. Und auf mein Knie. Genau auf das Knie, auf welches ich nicht mehr fallen wollte. So ist das aber mit dem "Nicht-Wollen": Das Hirn kann ja das Wort "nicht" nicht darstellen und produziert dementsprechend das gegenteilige Bild: "Ich will auf mein Knie fallen". Gesagt, getan. Und was passiert? Vorbei ist die trügerische Ruhe und Tiefenentspanntheit. Auch jegliche körpereigenen Morphine und Endorphine lassen sich nicht blicken. Stattdessen kommt eine LKW-Ladung Schmerz angefahren, der mich mit voller Breitseite erwischt, dass ich hemmungslos anfange zu schluchzen! Der Sturz erwischt die gleiche Stelle, die ich mir beim Race in Nepal zugezogen hatte und die im Januar operiert werden musste. Der Schleimbeutel schwillt sofort auf Wassermelonengröße an und Schmerz bereitet sich im gesamten Körper aus.Von der Natur verwundet humpel ich mit gesenktem Kopf nach Hause, nehme Arnicakügelchen (vielleicht lässt sich die Natur damit ja wieder gnädig stimmen), lege ein Lymphtape an, hole das Eispack aus der Truhe und übe mich in Entspannung, indem ich mit Bilder aus der Natur vorstelle. Das soll ja angeblich helfen...

Obwohl- die Wissenschaftler schreiben ja auch nur von "sanfter" Bewegung in der Natur. Vielleicht habe ich da etwas falsch verstanden.
Mein Musiktipp: OK Kid "Grundlos"
https://www.youtube.com/watch?v=WCAHviO8J1I

Mittwoch, 11. Juni 2014

Training- Tapering- Wettkampf: Zugspitz Ultra Trail

Die Taperingphase beschreibt eine Reduktion des Trainingsumfangs vor einer großen Ausdauerbelastung (oder auch Wettkampf genannt!). Wurde der Organismus und der Stoffwechsel in den vergangenen Wochen und Monaten auf Höchstleistung trainiert, beginnt zwei bis maximal drei Wochen vor dem Wettkampftag die entscheidende Phase: Der Körper darf und soll sich von all den Anstrengungen erholen und ausruhen, damit am Tag des Tages alles aufgefüllt und bereit ist! Das gilt nicht nur für die körperliche Ebene sondern auch für den Kopf. Musste dieser auf tausenden von Kilometern funktionieren und das System am Laufen halten, darf auch das Oberstübli sich nun ausruhen und mal durchatmen. Damit diese "Ruhephase" nicht ganz so extrem wahrgenommen wird, sollte man in dieser Zeit dennoch intensive Trainingseinheiten absolvieren. Bei einem Wochenumfang von sieben Trainingseinheiten, kann man nun auf die Hälfte reduzieren, diese dann aber zu 2/3 mit hohen Intensität ausführen. Bergsprints, Intervalle, kurze und knackige Steigerungsläufe in Kombination mit regenerativen Läufen und alternativen Sportarten wie Schwimmen oder Saunieren oder einfach in der Sonne sitzen, schwitzen und den Kopf entspannen. Das geht noch besser, wenn man dazu ein kühlendes Eis schleckt! Die Energiespeicher müssen auch aufgefüllt werden und da eignen sich hochwertige Lebensmittel aus allen Bereichen. Wie so ein Taperingtag bei mir aussieht, könnt ihr im Folgenden lesen:
Der Tag beginnt mit einem kleinen sanften Yoga-Workout gefolgt von einem Powermüsli:
Haferflocken (mittlere Körnung) in Nuss-Mandelmilch einweichen.
Dazu frische Früchte der Saison (im Moment Erdbeeren, Nektarinen, Feigen, Aprikosen)
Oben drauf einen Klecks Magerquark.
Eine Handvoll Nüsse.
Einen Teelöffel Leinöl: das macht schön, schnell, gesund und munter (mit Omega3-Fettsäuren; das Öl wurde schon in der Antike als Allerheilmittel verwendet!)
Dazu: Cappucho und ein Glas Wasser mit Zitrone.
Mittags dann eine Trainingseinheit z.B. 20x für 1 Minute einen laufbaren Berg hochsprinten und jeden Sprint Vollgas geben.
Mittagessen (z.B. Gemüsepfanne mit Gnocchi und Parmesan)
Yogasession und mentale Ruhepause (man kann meditieren, Entspannungsmusik hören oder sich mentale positive Sätze vorsagen. Oftmals hilft es auch, wenn man dazu an einen anderen Ort geht und das Haus verlässt. Somit kann man sich nicht so leicht von anderen Dingen ablenken lassen und findet wirklich die Ruhe, die man braucht!)
Abend vielleicht noch eine Runde lockeres Schwimmen und einem kurzen Saunagang.
Abendessen (z.B. Thunfischsalat im Wrap) und (ja, das muss sein) ein "wenig" Schokolade! 
Schlafen: 8-9 Stunden! Denn nur im Schlaf findet der Körper die Erholung, die er braucht.
Ach, was wäre das schön, wenn ich das jeden Tag so einhalten könnte!!  Aber wenn die Hälfte davon klappt, bin ich rundum zufrieden!
Meine letzte Trainingswoche war geprägt von vielen Vertikalmetern: ich bin teilweise dreimal auf Muottas Muragl gelaufen, damit ich 2100 Höhenmeter laufe. Der Abwechslung zuliebe bin ich einmal gejoggt, einmal über die 4200 Stufen und einmal im Speed Hiking Stil gelaufen. Nun bin ich froh, dass es bald an der Zugspitze losgeht und ich die Gämslibeine hoffentlich auf Höchstleistung bringen kann!

Achso: wofür ich so viel trainiert habe? Zugspitz Ultra Trail in Garmisch (Deutschland): 100 km nonstop mit 5400 Metern im Aufstieg: http://zugspitz-ultratrail.com/ !!!

Mein Musiktipp: Kasabian https://www.youtube.com/watch?v=ST6nEvIEY4s